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Nationalistische Sehnsuchtsräume: Deutsche Rechte und das Thompson-Konzert in Zagreb

Am Samstag, dem 5. Juli 2025, fand in Zagreb ein Konzert des kroatischen Rockmusikers Marko Perković (Thompson) statt. Perković, der seit Jahrzehnten mit nationalistischen Botschaften und einer Romantisierung der faschistischen Vergangenheit Kroatiens polarisiert, lockte laut Veranstalter knapp 500.000 Besucher:innen auf das Gelände des Hippodroms. Dabei wurde erneut auch der Gruß der kroatischen Faschisten inszeniert. Deutsche Rechtsextreme blickten am Wochenende neidisch auf das Geschehen in der kroatischen Hauptstadt.

Marko Perković (Thompson) mit Mikrofon bei einem Konzert, August 2013, im schwarzen Hemd vor dunklem Bühnenhintergrund.
Marko Perković alias "Thompson" bei einem Konzert 2013. ©Wikimedia Commons, aufgerufen am 07.07.2025

Thompson als Akteur nationalistischer Erinnerungspolitik

Thompson spielt seit den 1990er Jahren eine zentrale Rolle in der kroatischen Öffentlichkeit. Seine Konzerte, auf denen er regelmäßig nationalistische Narrative reproduziert, führten ihn bis zu Auftritten bei offiziellen Feiern der kroatischen Fußballnationalmannschaft. Auch in der Politik kommt nahezu niemand an Thompson vorbei: So war u.a. der Ministerpräsident Andrej Plenković Gast bei der Generalprobe in Zagreb.1

Der 1966 in Dalmatien geborene Musiker schloss sich zu Beginn des Jugoslawienkriegs einer kroatischen Selbstverteidigungseinheit an, nachdem Slowenien und Kroatien 1991 ihre Unabhängigkeit erklärt hatten. Serbische Einheiten besetzten zwischenzeitlich bis zu einem Drittel des heutigen Staatsgebiets Kroatiens. Nach eigener Erzählung erhielt Perković damals ein veraltetes Maschinengewehr vom Typ Thompson – daher der Künstlername. Seine Lieder sind geprägt von weit verbreiteten Deutungsmustern der kroatischen Geschichte: Sie schwanken zwischen Opfererzählung und glorifizierendem Heldenmythos. Besonders im Kontext des Jugoslawienkriegs inszeniert sich Thompson selbst immer wieder als Kämpfer gegen serbische Tschetniks, die er in seinen Texten auch explizit benennt.

Historische Kontinuitäten und die Revitalisierung faschistischer Symbole

Charakteristisch für die Jugoslawienkriege der 1990er Jahre war die instrumentelle Rückbesinnung auf historische Akteure des Zweiten Weltkriegs: Auf serbischer Seite wurden die Tschetniks heroisiert – ursprünglich serbische Freischärler des 19. Jahrhunderts, die im Zweiten Weltkrieg zunächst gegen die deutsche Besatzung kämpften, dann aber mit den Achsenmächten kollaborierten und Gräueltaten vor allem an Muslim:innen und Kroat:innen verübten.

In Kroatien wiederum verstanden sich viele Kämpfer in der Tradition der Ustaša, einer faschistischen Bewegung, die mit Unterstützung des NS-Regimes 1941 den Unabhängigen Staat Kroatien (NDH) errichtete. Die Ustaša verfolgte mit ihrer nationalistischen und antisemitischen Politik eine Praxis der Verfolgung und Vernichtung: So wurden insbesondere Serb:innen massenhaft vertrieben und ermordet. Jugoslawische Historiker bezifferten in den 1980er Jahren auf serbischer Seite über 300.000 Todesopfer der Ustaša-Politik.2 Allein im Konzentrationslager Jasenovac starben 80.000 bis 90.000 Serb:innen, Jüd:innen, Rom:nja sowie weitere Opfergruppen.

Der Ustaša-Gruß „Za dom spremni" (Für die Heimat bereit) wurde in den 1990er Jahren revitalisiert und ist bis heute fester Bestandteil von Thompsons Bühneninszenierung. So beginnt sein bekanntestes Lied „Bojna Čavoglave“ („Das Bataillon von Čavoglave“), das während des Krieges zur inoffiziellen Hymne der kroatischen Truppen wurde, mit eben diesem Gruß – auch beim jüngsten Konzert, bei dem die Menge kollektiv antwortete: „Spremni“ (bereit).

Neben nationalistischen und christlichen Motiven enthalten seine Texte unverhohlene Anspielungen auf die faschistische Vergangenheit. So zitiert er in einem Song Ante Pavelić, den Führer der Ustaša, der die Vertreibung von Serb:innen im Zweiten Weltkrieg als „bitteres Kraut auf bittere Wunden“ rechtfertigte. In einem anderen Lied singt er davon, seinem Sohn das „schwarze Hemd“ zu übergeben – eine Anspielung auf die Ustaša-Uniform, die bewusst an die italienischen Schwarzhemden Mussolinis angelehnt war. Auch die HOS-Miliz der 1990er Jahre bediente sich dieser Symbolik, um die Kontinuität zum historischen Faschismus zu betonen.

Deutsche Rechtsextreme und der Blick nach Zagreb

Das Konzert in Zagreb wurde auch in deutschen rechtsextremen Kreisen aufmerksam verfolgt. Die Mischung aus christlicher Symbolik, hypermaskulinem Heldenbild und expliziten Bezügen auf faschistische Traditionen stieß auf offene Bewunderung.

Filip Gaspar, Mitarbeiter des AfD-Europaabgeordneten Markus Buchheit, lobte im dem burschenschaftlichen Milieu nahestehenden Magazin "Freilich" Thompsons Engagement als „kulturellen Anker in unsicheren Zeiten“. Er behauptete zudem, Thompsons historische Anleihen  bezögen sich ausschließlich auf den „Vaterländischen Krieg“ der 1990er Jahre4 – eine offensichtliche Verharmlosung, angesichts der zahlreichen direkten Ustaša-Reminiszenzen.

Auch Arne Schimmer, Politiker der Partei Die Heimat (ehemals NPD), schwärmte bereits im April im rechtsextremen Magazin Aufgewacht: „Glücklich ist ein Volk, das wie die Kroaten aus überzeugten Patrioten besteht, die sich von keiner linken Gesinnungsmafia vorschreiben lassen, was sie hören dürfen und was nicht.“5 Dass Thompson auch in Kroatien selbst umstritten ist, blieb in beiden Darstellungen unerwähnt.

Auf einschlägigen Telegram-Kanälen schließlich wurde das Konzert gar als Wiederbelebung der historischen „Waffenbruderschaft“ zwischen Nationalsozialisten und Ustaša gefeiert – eine Huldigung des Faschismus ohne rhetorische Abmilderung. Dieser Bezug macht deutlich, dass die Begeisterung von Teilen der deutschen Rechten für Thompson weit über Sympathien für die „kroatische Sache“ und einen nationalistischen Wandel in der Popkultur hinausgeht: Sie zielt letztlich auf eine Entkriminalisierung der nationalsozialistischen Vergangenheit.

[1] Michael Martens: Rechtsextreme Parolen auf Kroatiens größter Bühne. FAZ, dort datiert 06.07.2025, URL: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/ein-grosskonzert-des-musikers-marko-perkovi-in-zagreb-110577474.html (07.07.2025).

[2] Alexander Korb: Im Schatten des Weltkriegs: Massengewalt der Ustaša gegen Serben, Juden und Roma in Kroatien 1941-1945. Hamburg 2013, S. 258.

[3] Zitiert nach: Marija Vulesica: Kroatien. In: Wolfgang Benz/Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors, München 2009 (Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager 9).

[4] Filip Gaspar: Thompson in Zagreb: 500.000 Kroaten feiern nationale Identität. Freilich Magazin, dort datiert 05.07.2025, URL: https://www.freilich-magazin.com/kultur/thompson-in-zagreb-500000-kroaten-feiern-nationale-identitaet (07.07.2025).

[5] Arne Schimmer: Thompson: Kroatiens Super-Patrioten räumen ab. Aufgewacht, dort datiert 08.04.2025, URL: https://aufgewacht-online.de/thompson-kroatiens-super-patrioten-raeumen-ab/.


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