Hashtag Volkssturm
Am 28. November 2024 verbreitete sich auf Social media der Hashtag „Volkssturm“. Kontext dieser Kampagne war der Vorschlag von Vertretern der scheidenden US-Regierung, das Wehrpflichtalter in der Ukraine von 25 auf 18 Jahre abzusenken. Dieser Vorschlag wurde unter anderem von Björn Höcke von der AfD, aber auch von Sevim Dağdelen vom BSW, provokativ als „Volkssturm“ bezeichnet: Eine geschichtsrevisionistische Darstellung, die auch die Realität des aktuellen Konflikts verzerrt.
Der Begriff „Volkssturm“ stammt aus der NS-Zeit und geht auf die Initiative von Martin Bormann, Spitzenfunktionär der NSDAP, zurück. Dieser legte Adolf Hitler den Gesetzesentwurf am 25.09.1944 vor, einen Tag später unterschrieb dieser den „Erlass des Führers über die Bildung des Deutschen Volkssturms“. Der „Volkssturm“ wurde geschaffen, um jeden wehrfähigen Mann zwischen 16 und 60 Jahren in den Verteidigungskampf zu zwingen. Die Maßnahme war ein Zeichen der Verzweiflung des NS-Regimes angesichts der drohenden Niederlage. Sie führte zu hohen Verlusten unter schlecht ausgerüsteten und kaum ausgebildeten Kämpfern, ohne den Kriegsverlauf zu beeinflussen. Die Instrumentalisierung dieses Begriffs durch die AfD ist eine geschichtsrevisionistische Taktik, die die Ukraine delegitimieren soll, indem sie ihre Verteidigung mit dem Angriffs- und Vernichtungskrieg des NS-Regimes gleichsetzt. Die zusätzliche Mobilisierung junger Wehrpflichtiger ist in Verteidigungskriegen üblich. Der Vergleich mit dem „Volkssturm“ relativiert die Gräueltaten des NS-Regimes und dient gleichzeitig der Delegitimierung der Ukraine sowie der Verharmlosung der russischen Aggression.
Alice Weidel bei „Auf1“: Zwischen Verschwörung und Geschichtsrevisionismus
Einen Tag später, am 29.11.2024, erschien auf dem Sender „Auf1“ ein circa 45-minütiges Interview mit Alice Weidel, das als programmatisch für den geplanten Bundestagswahlkampf der AfD gesehen werden kann. Auf1 ist ein privater, österreichischer Sender, der vor allem Verschwörungstheoretiker:innen und Rechtsextremen eine Plattform bietet. Er wird von Stefan Magnet betrieben, der früher in einer neonazistischen Gruppe (Bund freier Jugend) aktiv war und regelmäßig in rechtsextremen Medien wie „Info Direkt“ publizierte.1 Stefan Magnet selbst war es auch, der das Interview mit Alice Weidel durchführte. Angesprochen auf die Schwerpunkte des Wahlkampfes behauptet Weidel zwar, der Fokus würde auf Innen- und Wirtschaftspolitik liegen, gleichermaßen drehten sich viele Passagen des Gesprächs um Verschwörungstheorien und ihre außenpolitische Agenda. So behauptete Weidel u.a. die Existenz eines tiefen Staats, einer Analogie zur amerikanischen Verschwörungstheorie des „
Der Verfassungsschutz als „williger Vollstrecker“?
Der Thüringer Spitzenpolitiker der AfD Björn Höcke, der auf eine Bundestagskandidatur verzichtet, verbreitete währenddessen auf Social-Media eine Diffamierungskampagne gegen das mögliche Verbotsverfahren gegen die AfD. So bezeichnete er das Bundesamt für Verfassungsschutz als „Stasi“ und betitelte den scheidenden Chef des Amtes, Thomas Haldenwang, als „willigen Vollstrecker“ – eine offene Bezugnahme auf Daniel J. Goldhagens Buch „Hitlers willige Vollstrecker“. Das Buch, das 1996 erschien, sorgte für erhebliche Kontroversen, insbesondere in Deutschland, und löste eine breit geführte Diskussion über die Verantwortung der Deutschen für den Holocaust aus. Höckes offensichtlicher Versuch der Schuldumkehr ist mittlerweile programmatisch für die AfD im Umgang mit politischen Gegner:innen: Die Diffamierung mit Hilfe von historischen Bezügen auf den Nationalsozialismus soll nicht nur System und Gegner diffamieren - sie entlastet gleichzeitig auch das eigene Wahlklientel vom Vorwurf des Rechtsextremismus. Gleichermaßen bedient Höcke mit zwei verschiedenen Varianten – eine in Bezug auf die DDR, eine in Bezug auf den NS - verschiedene Milieus des politischen Spektrums und macht sich damit für ein größeres Klientel wählbar.
Stimmenfang mit Mythen und Verschwörung
Die AfD greift im Bundestagswahlkampf auf geschichtsrevisionistische und verschwörungstheoretische Narrative zurück, um ihre rechtsextreme Klientel zu mobilisieren und gesellschaftliche
[1] DÖW: AUF1: Volkstreue Apokalyptik, nun auch über Kabel. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands, dort datiert 02.2022, URL: https://www.doew.at/erkennen/rechtsextremismus/neues-von-ganz-rechts/archiv/februar-2022/auf1-volkstreue-apokalyptik-nun-auch-ueber-kabel.
[2] Alice Weidel: Alice Weidel: Krieg verhindern, Grenzen schließen und Deutschland retten! AUF1, dort datiert 29.11.2024, URL: https://www.auf1.tv/das-grosse-interview/alice-weidel-krieg-verhindern-grenzen-schliessen-und-deutschland-retten (02.12.2024). Ab Minute 22:38.