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Radikalisierung der AfD: Bundestagsfraktion nimmt Helferich und Krah auf

Am Vormittag des 25. Februar 2025 konstituierte sich die Bundestagsfraktion der AfD. Neben der Wahl des Fraktionsvorsitzes ging es auch um weitere wegweisende Personalentscheidungen. Im Zentrum der Debatte standen die umstrittenen Politiker Maximilian Krah und Matthias Helferich, deren Zugehörigkeit zur Fraktion innerhalb der Partei kontrovers diskutiert wurde. Doch entgegen aller Kritik wurden beide ohne Gegenstimmen aufgenommen – ein klares Signal für die fortschreitende Radikalisierung der Partei.

Matthias Helferich und Maximilian Krah wurden beide, trotz ihrer umstrittenen Aussagen, in die Bundestagsfraktion der AfD aufgenommen.
Matthias Helferich und Maximilian Krah wurden beide, trotz ihrer umstrittenen Aussagen, in die Bundestagsfraktion der AfD aufgenommen. ©Eigene Darstellung, Telegram und Wikimedia Commons, aufgerufen am 25.02.2025

Umstrittene Personalien: Krah und Helferich

Besonders Maximilian Krah geriet in den letzten Monaten massiv in die Kritik. Der neugewählte Direktabgeordnete aus dem Wahlkreis Chemnitz II pflegte offene Kontakte nach Moskau. Ein Mitarbeiter seines EU-Abgeordnetenbüros war mutmaßlich in einen Spionageskandal mit den chinesischen Behörden verwickelt. Doch nicht nur durch Krahs außenpolitische Ambitionen sorgten für Empörung: Seine Relativierung der SS in einem Interview mit der italienischen Tageszeitung "La Repubblica" führte 2024 zum Bruch mit mehreren rechtspopulistischen bis rechtsextremen Parteien auf europäischer Ebene, wie z.B. dem Rassemblement National in Frankreich.

Matthias Helferich ist ebenfalls eine hoch kontroverse Figur. In internen Chatgruppen bezeichnete er sich selbst als das "freundliche Gesicht des Nationalsozialismus" und als "demokratischen Freisler" – eine Anspielung auf Roland Freisler, den Vorsitzenden des Volksgerichtshofes, der tausende Todesurteile im Namen des NS-Regimes verhängte und an der Wannseekonferenz teilnahm, auf der die Vernichtung der europäischen Jüd:innen beschlossen wurde.1 Trotz dieser schwerwiegenden Äußerungen wurde er von der Fraktion aufgenommen – ein weiteres Zeichen für die wachsende Akzeptanz neonazistischer Positionen innerhalb der AfD.

Die AfD und die Normalisierung des NS

Von den 152 AfD-Abgeordneten stimmte niemand gegen die Aufnahme der beiden Skandalpolitiker. Dies zeigt nicht nur die Geschlossenheit der Fraktion, sondern auch das gestärkte Selbstbewusstsein der Partei. Mit dem Rückenwind von 20 % der Wähler:innenstimmen und einer erfolgreichen Diskursverschiebung nach rechts scheint sich die AfD ihrer Sache sicher zu sein. Die Personalentscheidungen fügen sich nahtlos in die fortschreitende Selbstradikalisierung der Partei ein, die sich auch anhand ihrer Geschichtspolitik nachzeichnen lässt.

Noch vor wenigen Jahren dominierten in der AfD vor allem geschichtsrevisionistische Narrative, die durch schiefe Gleichsetzungen, die Konstruktion deutscher Opfernarrative und Angriffe auf die Erinnerungskultur gekennzeichnet waren. Nun geht die Partei einen Schritt weiter: Sie nimmt Mitglieder in ihre Bundestagsfraktion auf, die sich offen und positiv auf den Nationalsozialismus und dessen Akteure beziehen. Während sich Helferich in die Tradition eines Holocaust-Logistikers stellt, fordert Krah seine Anhänger:innen dazu auf, stolz auf ihre Vorfahren zu sein, die „keine Verbrecher“ gewesen seien.

Auswirkungen auf die internationale Zusammenarbeit

Die Frage bleibt, wie diese Entwicklung international wahrgenommen wird. Bereits 2024 distanzierten sich mehrere europäische Parteien von der AfD. Der französische Rassemblement National brach die Zusammenarbeit mit der Partei ab, und auf EU-Ebene wurde die AfD aus der Fraktion der Patrioten für Europa ausgeschlossen, der unter anderem die österreichische FPÖ und der niederländische Vlaams Belang angehören. Vor allem in Osteuropa, das unter dem Terror des Nationalsozialismus besonders gelitten hat, dürften Personalien wie Krah und Helferich auf Ablehnung stoßen. Auch die italienische Partei Fratelli d'Italia unter Giorgia Meloni hatte sich bereits in der Vergangenheit skeptisch gegenüber der AfD positioniert – allerdings vor allem aufgrund deren russlandfreundlicher Haltung.

Eine neue Eskalationsstufe

Die Aufnahme von Krah und Helferich in die Bundestagsfraktion markiert eine neue Eskalationsstufe in der Radikalisierung der AfD. War die Partei bis vor kurzem vor allem für ihre Angriffe auf die Erinnerungskultur bekannt, so zeigt sie nun offen ihre Akzeptanz gegenüber Akteuren, die sich positiv auf den Nationalsozialismus beziehen. Dass es innerhalb der AfD keine nennenswerte Gegenwehr mehr gibt, spricht für eine zunehmende ideologische Geschlossenheit – nicht trotz, sondern gerade wegen dieser Entwicklungen.

Die Frage bleibt, welche Konsequenzen dies für die AfD hat: Wird sie durch ihre Radikalisierung auf Europa-Ebene weiter isoliert, oder findet sie in einem sich wandelnden rechten Lager neue Bündnispartner? Während Parteien wie der Rassemblement National sich in der Vergangenheit distanziert haben, suchen andere rechtsextreme Akteure weiterhin die Nähe zur AfD. Insbesondere Alice Weidel erhielt nach der Wahl zahlreiche persönliche Glückwünsche – u.a. von Geert Wilders und Viktor Orban. Innerhalb Deutschlands steht zu befürchten, dass die mühsam erkämpfte Erinnerungskultur, auch mit den nun noch größeren finanziellen Mitteln und parlamentarischen Möglichkeiten der AfD, noch mehr unter Druck gerät. Es besteht die akute Gefahr, dass sich geschichtsrevisionistische Positionen nun auch in gesellschaftlichen Milieus verfestigen, die vorher dagegen resilient waren. Mit dieser Erosion des historischen Bewusstseins eröffnen sich Möglichkeitsspielräume für Politiken, die vorher durch einen kritisch-reflexiven Umgang mit der Geschichte tabuisiert waren. 

[1] Haus der Wannseekonferenz: Dr. Roland Freisler. Haus der Wannseekonferenz, dort datiert 2006, URL: https://www.ghwk.de/fileadmin/Redaktion/PDF/Konferenz/Teilnehmer/freisler.pdf (25.02.2025).

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