
Relativierung statt Gedenken
In der Gedenkstunde zum 30. Jahrestag des Völkermords von Srebrenica relativierte der AfD-Abgeordnete Alexander Wolf das Massaker an den bosnischen Muslimen (Bosniaken) auf offener Bundestagsbühne. Wolf ist „Alter Herr“ der vom Verfassungsschutz beobachteten Burschenschaft Danubia und Herausgeber eines 1994 erschienenen Liederbuchs, das unter anderem eine leicht abgeänderte Version des Hitlerjugend-Lieds „Unsere Fahne flattert voran“ enthält.1 In seiner Rede stellte er dem Massenmord in Screbrenica serbische Zivilopfer bosnischer Übergriffe entgegen2 Seine Darstellung mündete in einer Täter-Opfer-Umkehr, die Wolf mit Angriffen auf die Vereinten Nationen, die deutsche Rolle als „Erinnerungsweltmeister“ und den türkischen Einfluss in Bosnien verband. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner brach seine Rede wegen Überschreitung der Redezeit ab. Weitere AfD-Abgeordnete griffen ähnliche Narrative auf. Martin Sichert erklärte die Jugoslawienkriege der 1990er-Jahre zum Beweis für das Scheitern von „Multi-Kulti“. Die Abgeordnete Rathert warnte vor einer angeblich drohenden „neuen Interventionspolitik“ des Westens — eine Rhetorik, die Außenminister Wadephul im Namen der Überlebenden und des bosnischen Botschafters scharf zurückwies. Tobias Teich, Mitunterzeichner der „

Historischer Kontext: Srebrenica als Zivilisationsbruch
Der Völkermord von Srebrenica gilt als das schwerste Kriegsverbrechen in Europa seit 1945. Im Juli 1995 eroberte die Armee der bosnischen Serben unter General Ratko Mladić die UN-Schutzzone Srebrenica, in der Zehntausende bosniakische Flüchtlinge Schutz gesucht hatten. Vor den Augen der internationalen Gemeinschaft und trotz der Präsenz niederländischer Blauhelmsoldaten wurden mehr als 8.000 bosnische Männer und Jungen systematisch ermordet, während Frauen und Mädchen in Lager verschleppt und in großer Zahl vergewaltigt wurden. Das Massaker wurde später vom Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) als Völkermord eingestuft.
Der Genozid war Höhepunkt einer Kampagne „ethnischer Säuberungen“, mit der die bosnischen Serben einen rein serbischen Staat auf dem Territorium Bosniens schaffen wollten. In einem Urteil des Internationalen Gerichtshofs von 2007 wurde Serbien zwar nicht der direkte Völkermord vorgeworfen, wohl aber, dass es die Täter weder hinderte noch bestrafte. Dennoch ist die Leugnung oder Relativierung des Völkermords bis heute weit verbreitet — insbesondere in der serbischen Politik, die das Massaker oft als „Kriegsverbrechen“ relativiert und in ein symmetrisches Bild gegenseitiger Gräueltaten einfügt.
Ideologische Brücken: deutsche Rechte und serbischer Revisionismus
Die deutsche extreme Rechte knüpft offenkundig an diese Formen des Revisionismus an. Bereits der Literaturnobelpreisträger Peter Handke lieferte mit seinen umstrittenen Schriften Stichworte für eine serbophil geprägte Täter-Opfer-Umkehr. Auch die AfD und ihre publizistischen Vorfeldorganisationen pflegen ideologische Bezüge nach Serbien: Die dort verbreitete Mischung aus Nationalismus, antiwestlicher Rhetorik, Islamfeindlichkeit und Leugnung von Kriegsverbrechen spiegelt zentrale Narrative der deutschen Rechten. In der AfD, die regelmäßig einen angeblichen „
Fazit: Leugnung statt Verantwortung
Die Redebeiträge der AfD zur Gedenkstunde in Srebrenica zeigen, dass ihr Revisionismus weit über die deutsche NS-Vergangenheit hinausreicht. Mit ihrer Täter-Opfer-Umkehr verhöhnt die Partei die Opfer des Völkermords, relativiert internationale Gerichtsurteile und untergräbt die Erinnerungskultur. Die in Serbien verbreitete Leugnung des Genozids bietet dabei ein ideologisches Vorbild für die AfD, um auch hierzulande etablierte Formen historischer Verantwortung anzugreifen.
[1] Redaktion: Der AfD-Fraktionschef und die Nazi-Lieder. NDR.de, dort datiert 22.11.2017, URL: http://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Der-AfD-Fraktionschef-und-die-Nazi-Lieder%2Cafd1360.html (10.07.2025).
[2] Auch Verbrechen gegen serbische Bosnier sind belegt. Die Forschung geht von bis zu 1.300 zivilen Opfern aus. Siehe dazu: Matthias Fink: Srebrenica: Chronologie eines Völkermords oder Was geschah mit Mirnes Osmanovic. Hamburg 2015, S. 148.
[3] Die Redebeiträge können hier nachvollzogen werden: Phoenix: DE Bundestag LIVE: u.a. Wahl der Bundesverfassungsrichter:innen | 11.07.25. youtube.de, dort datiert 11.07.2025, URL: https://www.youtube.com/watch?v=joSIl5Pz6AU (11.07.2025).