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Die Burschenschafts-Denkmäler von Eisenach

Über Eisenach thront prominent die Wartburg, in deren Schatten zwei Burschenschafts-Denkmäler zu finden sind. Jahr für Jahr treffen sich hier Korporierte der „Deutschen Burschenschaft“: Neben Verbandsarbeit und Frühschoppen findet beim „Burschentag“ auch ein Totengedenken statt, bei dem jüngst zutiefst geschichtsrevisionistische Narrative verbreitet wurden.

Das „Kaiser-Wilhelm-Denkmal der deutschen Burschenschaften auf der Göpelskuppe“ wurde 1902 eröffnet und ist heute ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen. Jedes Jahr zum "Burschentag" kommen hier auch hunderte Korporierte zusammen.
Das „Kaiser-Wilhelm-Denkmal der Deutschen Burschenschaften auf der Göpelskuppe“ wurde 1902 eröffnet und ist heute ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen. Jedes Jahr zum "Burschentag" kommen hier auch hunderte Korporierte zusammen.

Historischer Hintergrund

Die Wartburg ist eines der zentralen Symbole der deutschen Geschichte und ein bedeutender Erinnerungsort. Die im 11. Jahrhundert gegründete Festung ist eng mit dem Sängerkrieg sowie mit Martin Luthers Aufenthalt, verkleidet als „Junker Jörg“, verknüpft. Auch für die deutsche Nationalbewegung des 19. Jahrhunderts spielte die Wartburg eine entscheidende Rolle. Beim Wartburgfest im Oktober 1817 versammelten sich gleichermaßen liberale wie auch nationalistisch gesinnte Burschenschafter, um das vierjährige Jubiläum der Völkerschlacht und das 300-jährige Jubiläum von Luthers Thesenanschlag zu feiern. Nach den offiziellen Feierlichkeiten verbrannten Studenten auf dem Wartenberg, gegenüber der Wartburg, symbolisch ihnen verhasste Schriften - unter anderem den französischen Code Civil. Die inszenierte Bücherverbrennung hatte auch eine antijudaistische Dimension: Eine Buchattrappe von Saul Aschers „Germanomanie. Skizze zu einem Zeitgemälde“ wurde unter Schmährufen verbrannt: „Wehe über die Juden, so da festhalten an ihrem Judenthum und wollen über unser Volksthum und Deutschthum spotten und schmähen!“1

Die Wartburg sollte auch nach der Reichsgründung 1871 ein symbolträchtiger Ort bleiben: Wieder waren es Burschenschafter, die nun ihren langersehnten Traum von der Einigung des Deutschen Reichs verwirklicht sahen und sich für die Errichtung eines Denkmals einsetzten. Das „Kaiser-Wilhelm-Denkmal der Deutschen Burschenschaften auf der Göpelskuppe“ sollte vor allem den im deutsch-französischen Krieg gefallenen Burschenschaftern gedenken und wurde 1902 fertig gestellt.2 

In dieser Zeit sprach man im Deutschen Kaiserreich von einer regelrechten Denkmal-Manie: Unzählige Monumentalbauten, die Reich und Kaiser verehrten, wurden bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs gebaut.3  Auch auf den Hügeln rund um Eisenach wurde es eng: Ursprünglich sollte das Burschenschaftsdenkmal auf dem Wartenberg, wo die symbolische Bücherverbrennung stattgefunden hatte, errichtet werden. Doch die Bürger Eisenachs waren schneller als die Burschenschafter und errichteten dort einen Bismarckturm.

In der Weimarer Republik setzte eine neue Phase im Denkmal-Bau ein: Für die National-Konservativen und die Veteranen-Verbände stand nun vor allem das Gedenken an die gestorbbenen Burschenschafter des Ersten Weltkriegs im Vordergrund. Auch unterhalb des Burschenschafts-Denkmals in Eisenach sollte nun ein „Gefallenenehrenmal der Deutschen Burschenschaft“, wie es offiziell genannt wurde, errichtet werden.

Bereits während seiner Entstehung wurde es jedoch zumeist „Langemarck-Ehrenmal“ genannt. „Langemarck“ steht hierbei für einen Mythos: Auf einem in Flandern gelegenen Schlachtfeld bei Langemarck (Flämisch: Langemark) erstarrte der deutsche Angriff im Stellungskrieg. Mehrere tausend, auch junge Soldaten, die sich als Freiwillige gemeldet hatten, wurden ins MG-Feuer der Entente geschickt. Die Oberste Heeresleitung verbreitete am 11. November 1914 die Meldung, die jungen Soldaten hätten während ihres Sturmlaufs „Deutschland, Deutschland über alles“ gesungen.4 Einen Beleg für diese Behauptung, die die militärische Niederlage in einen moralischen Sieg umwidmete, gibt es nicht.

Das Langemarck-Ehrenmal

Der Bau des Denkmals begann 1932. Am 4. Juni 1933 erfolgte seine feierliche Einweihung samt zugesandter Grußworte des Reichspräsidenten Hindenburg. Das Denkmal wurde dabei explizit den 3.000 im Ersten Weltkrieg gefallenen Verbindungsstudenten aus beiden Kaiserreichen, dem deutschen und österreichischen, gewidmet.5 In den Jahren 1934 und 1935 fand am Denkmal das Totengedenken im Rahmen der Burschentage statt. Nach der im „Plauener Abkommen“ beschlossenen Zusammenführung von Deutschen Burschenschaften und NS-Studentenbund übergaben am 18. Oktober 1935 die Korporierten symbolisch ihre Fahnen auf der Wartburg: Die Ziele der Urburschenschaft von 1815 schienen für die meisten Mitglieder im nationalsozialistischen Deutschland erfüllt.6 Nach Kriegsende wurde das Relief am Denkmal im Zuge der Direktive 30 des Alliierten Kontrollrates als Symbol des deutschen Militarismus im November 1946 abgeschliffen.7 Korporierte stellten 1991 bzw. 1992 den Schriftzug und das Wappen wieder her und ergänzten die Jahreszahlen 1939 und 1945. Seit 1992 findet das Totengedenken jährlich während des Burschentages der Deutschen Burschenschaft am Gefallenendenkmal statt, das nun wieder vor allem „Langemarck-Ehrenmal“ genannt wird.

Die Inschrift am Langemarck-Denkmal lautet: "Ihren gefallenen Bundesbrüdern - Die Deutsche Burschenschaft". Auf dem Platz vor dem Relief findet jedes Jahr das Totengedenken zum "Burschentag" statt.
Die Inschrift am Langemarck-Denkmal lautet: "Ihren gefallenen Bundesbrüdern - Die Deutsche Burschenschaft". Auf dem Platz vor dem Relief findet jedes Jahr das Totengedenken zum "Burschentag" statt.

#Die Denkmäler in Eisenach und ihre Vereinnahmung heute

Das Langemarck- und das Burschenschaftsdenkmal auf der Göpelskuppe dienten auch in jüngerer Zeit als symbolträchtige Orte für rechtsextreme Aktivitäten. So befasste sich der seit Jahrzehnten in der Kritik stehende Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ bereits auf dem Burschentag 1996 mit seiner „ostpreußischen Tradition“: Einem verklausulierten Wunsch nach einem Großdeutschland.8 Über die Jahre wurden auf dem Burschentag immer wieder Kontroversen ausgetragen: Insbesondere nachdem 2011 die Einführung eines „Arierparagrafen“ diskutiert wurde, traten die eher liberal orientierten Korps nach und nach aus, sodass die „Deutsche Burschenschaft“ heute ausschließlich nationalistische Verbindungen beherbergt, die völkisches Gedankengut über die Rechtsstaatlichkeit stellen.

Diese Selbstradikalisierung der „Deutschen Burschenschaft“ äußerte sich auch in jüngster Zeit auf ihrem Burschentag: A. Grimm von der Burschenschaft Germania (Leipzig) beklagte in seiner Totenrede 2024 den Zustand eines Landes, „in dem jeder, der im Zweiten Weltkrieg eine Uniform getragen hat als Verbrecher gilt“. Das Totengedenken am Langemarck-Denkmal bezeichnet er als „Heldenehrung“ und stellt den „Tatenruhm unserer Ahnen“ in eine angeblich 2.000-jährige deutsche Tradition seit dem „Freiheitskämpfer“ Hermann den Cherusker, die heute nur noch durch die Burschenschafter verkörpert werde: „Es strömt nicht nur ihr Blut in unseren Adern, es spricht auch ihr Geist durch uns.“

Explizit geschichtsrevisionistisch wird der Redner, wenn er behauptet, „unsere Großväter und Urgroßväter“ wären in den Krieg gezogen, um „Haus und Hof, Volk und Familie zu beschützen“.9 Den Angriffs- und Vernichtungskrieg Nazi-Deutschlands als ehrbare Verteidigung von „Haus und Hof“ zu deuten, widerspricht jeglicher historischer Faktizität. Die Burschenschaften sieht Grimm als Gegenpol zur etablierten Erinnerungspolitik, den 8. Mai deutet er als „Tag der Demütigung, Besetzung, Vergewaltigung, Vertreibung, den Tag willkürlichen Mordens und der Unterdrückung“. Über die Verbrechen des NS verliert der Redner kein Wort, womit er ganz auf der Linie der von Björn Höcke gerforderten „erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad“ ist. 

Unter Bezug auf den Langemarck-Mythos endete die „Heldenverehrung“ bei Fackelschein mit dem Absingen aller drei Strophen vom „Lied der Deutschen“.10 

Alte Herren und Neue Rechte

Die von der Deutschen Burschenschaft herausgegebene Zeitschrift ist heute mit Stellenangeboten für wissenschaftliche Fachreferenten der AfD gefüllt. Zahlreiche Burschenschafter sind mittlerweile für die Partei auf Landes- und Bundesebene tätig: Expert:innen halten dieses Netzwerk für „hochgefährlich“. Einige der persönlichen Verbindungen sind auf Götz Kubitscheks Streben nach Vernetzung zurückzuführen. Es überrascht demnach wenig, dass die ersten „Akademien“ des mittlerweile zumindest offiziell aufgelösten „Instituts für Staatspolitik“ auf der Wartburg in Eisenach abgehalten wurden.11

Der Denkmalerhaltungsverein Eisenach e.V., der inzwischen mehrheitlich von Korporierten getragen wird, die nicht mehr dem Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ angehören, organisiert seit Frühjahr 2024 Renovierungs- und Umbauarbeiten am Ehrenmal: Offiziell, damit es seiner Rolle als „Antikriegsdenkmal“ gerecht werden kann.12  Ob sich diese Deutung angesichts der völkischen und geschichtsrevisionistischen Ausrichtung der „Deutschen Burschenschaft“ durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.

[1] Werner Treß: Wartburgfest. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Ereignisse, Dekrete, Kontroversen, Berlin, Boston 2011 (Handbuch des Antisemitismus 4), hier S. 434. Bei der symbolischen Bücherverbrennung wurde auch die „Geschichte des Deutschen Reiches“ von August Kotzebue verbrannt . Am Feuer nahm der Jenaer Student Carl Ludwig Sand den Publizisten erstmals als Feind seiner „vaterländischen“ Sache wahr. Kotzebue, der damals meist gespielte Theaterautor, hatte sich auch zeit seines Lebens für die völlige Gleichstellung der Juden eingesetzt. In seinem Tagebuch notierte Sand im Mai 1818: „Wenn ich so sinne, so denke ich oft, es sollte doch einer mutig über sich nehmen, dem Kotzebue das Schwert ins Gekröse zu stoßen.“ Am 23. März 1819 ermordete er August Kotzebue in dessen Mannheimer Wohnung mit einem Dolch.

[2] Günter Schuchardt: Eisenacher „Nationaldenkmäler“. Wartburg - Burschenschaftsdenkmal - Bismarckturm. In: Gunther Mai (Hrsg.): Das Kyffhäuser-Denkmal 1896-1996, Köln; Weimar; Wien 1997, hier S. 281. Das historistische Denkmal von Wilhelm Kreis vereint neoromanische und neogotische Elemente mit den damaligen Vorstellungen eines völkischen Germanentums: Den tempelartigen Bau betritt der Besucher durch eine Eisentür, die an das sagenhaften Walhalla-Tor erinnern soll. Das 2006 komplett rekonstruierte Deckengemälde zeigt den mythischen Kampf des germanischen Göttergeschlechts der Asen gegen die Mächte der Finsternis. Damit ordnet es die Toten des Deutsch-französischen Krieges in den vorgeblich ewigen Kampf der Deutschen um ihre Einheit ein.

[3] Gunther Mai: Denkmäler und politische Kultur im 19. Jahrhundert. In: Gunther Mai (Hrsg.): Das Kyffhäuser-Denkmal 1896-1996, Köln; Weimar; Wien 1997, hier S. 13.

[4] Hier zitiert nach: Bernd Hüppauf: Schlachtenmythen und die Konstruktion des „Neuen Menschen“. In: Gerhard Hirschfeld (Hrsg.): Keiner fühlt sich hier mehr als Mensch, Essen 1993, S. 45.

[5] Schuchardt: Eisenacher „Nationaldenkmäler“. Wartburg - Burschenschaftsdenkmal - Bismarckturm, S. 302.

[6] Ebd.

[7] Harald Lönnecker, Mitglied der rechten Burschenschaften Normannia Leipzig und Germania zu Kassel, bezeichnete das Schleifen des Reliefs als „Schändung“. Vgl. Harald Lönnecker: Das Gefallenen- oder Langemarck-Ehrenmal der Deutschen Burschenschaft. Burschenschaftsdenkmal.de, dort datiert 10.2005, URL: https://web.archive.org/web/20150416145658/http://www.burschenschaftsdenkmal.de/historisches/das-langemarck-ehrenmal.html (27.11.2024).

[8] Schuchardt: Eisenacher „Nationaldenkmäler“. Wartburg - Burschenschaftsdenkmal - Bismarckturm, S. 305.

[9] Ansgar Grimm: Totenrede anläßlich des Burschentags 2024. In: Burschenschaftliche Blätter (2024), H. 02/2024, S. 63–65, hier S. 64.

[10] (Im Kontext seiner Entstehung 1841 wendete sich die erste Strophe „Deutschland, Deutschland über alles“ noch gegen die zahlreich existierenden deutschen Fürstentümer. Mit dem Langemarck-Mythos diente sie seit dem Ersten Weltkrieg der Rechtfertigung sinnlosen Sterbens an der Front, um im Nationalsozialismus endgültig für das Streben nach einer deutschen Vorherrschaft zu stehen. Heute wird üblicherweise daher nur die dritte Strophe gesungen, die Einheit, Recht und Freiheit betont.)

[11] Martin Grundweg: Wartburg. In: Erik Lehnert/Karlheinz Weißmann (Hrsg.): Deutsche Orte, 2. Aufl., Schnellroda 2018 (Staatspolitisches Handbuch 4), hier S. 207.

[12] Axel Zimmermann: Langemarck. Das Gefallenen Ehrenmal der Deutschen Burschenschaft in Eisenach. In: Burschenschaftliche Blätter (2024), H. 01/2024, S. 28.


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