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Torsten Czuppon

Der Polizeibeamte bewirbt sich um ein Direktmandat für den Thüringer Landtag im Wahlkreis Sömmerda II. Czuppon kam in seiner aktiven Dienstzeit als Polizist zu zweifelhafter Berühmtheit durch das Tragen einer bei Neonazis beliebten Marke während eines Seminars 2017 in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald. Die Gedenkstätte zeigte dies an, sein Dienstherr, die Polizei, leitete ein Disziplinarverfahren gegen ihn ein. Im Nachgang gab er gegen das Gedenkstätten-Personal eine Klage wegen Verleumdung auf - und bearbeite diese gleich selbst.

Torsten Czuppon bei einer Rede im Thüringer Landtag vom 10.11.2022
Torsten Czuppon bei einer Rede im Thüringer Landtag vom 10.11.2022

Ausgebildeter Polizist provoziert mit geschichtsrevisionistischen Thesen

Der 1966 in Kölleda geborene Czuppon absolvierte in der DDR die Erweiterte Oberschule und ging ab 1985 für drei Jahre zur NVA. Nach einem abgebrochenen Maschinenbau-Studium begann er 1989 eine Ausbildung als Feinmechaniker. Seine Polizeilaufbahn begann er bereits 1991 als Auszubildender und studierte ab 2001 bis 2004 nebenberuflich an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Meiningen im Fachbereich Polizei.1

Der AfD trat Czuppon bereits 2016 bei und sitzt in Sömmerda sowohl im Stadt- als auch im Kreistag. Seit 2019 hat er das Direktmandat für den Thüringer Landtag inne. Zu zweifelhafter Berühmtheit gelang der Abgeordnete im Rahmen einer Tagung mit dem Schwerpunkt Holocaustleugnung, einem Bildungsangebot der KZ-Gedenkstätte Buchenwald. Das Justizministerium nutzt die Expertise der KZ-Gedenkstätte regelmäßig für Schulungen seiner Bediensteten. Das zweitägige Seminar fand am 14. und 15. November 2017 statt. Während Czuppon am ersten Tag bereits mit geschichtsrevisionistischen Thesen versuchte, andere Teilnehmer:innen zu provozieren, besuchte er das Angebot am zweiten Tag in einem T-Shirt der Marke Thor Steinar. Diese Marke ist explizit bei Neonazis beliebt, kokettiert mit nordischer Mythologie und bedient eindeutig rechtsextreme Bildsprache.

Torsten Czuppon mit fraglichem T-Shirt bei einer Sitzung des Thüringer Landtags.
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Torsten Czuppon mit fraglichem T-Shirt bei einer Sitzung des Thüringer Landtags.
Das von Czuppon getragene T-Shirt konnte 2017 im Online-Shop der bei Rechtsextremen beliebten Marke "Thor Steinar" gefunden werden.
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Das von Czuppon getragene T-Shirt konnte 2017 im Online-Shop der bei Rechtsextremen beliebten Marke "Thor Steinar" gefunden werden.
Dieses T-Shirt der Marke "Thor Steinar" wartet mit einem vermeintlich harmlosen Motiv auf. Für Eingeweihte ist jedoch klar, dass mit "Save the white continent" nicht die Antarktis, sondern Europa gemeint ist. Die rassistische Propaganda kommt im auf den ersten Blick unverdächtigem Design daher.
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Andere Shirts der Marke warten mit vermeintlich harmlosen Motiven auf, die ihren rassistischen Inhalt erst auf den zweiten Blick preisgeben. Die Überschrift "Save the white continent" meint für Eingeweihte nicht die Antarktis, sondern Europa.

Juristisches Nachspiel

Noch brisanter als der Vorfall selbst ist das Nachspiel: Die Gedenkstätte sah ihre Hausordnung verletzt und erstattete Anzeige gegen Czuppon wegen Hausfriedensbruch. Die Polizei Thüringen leitete ein Disziplinarverfahren gegen ihren eigenen Beamten ein.

Das Disziplinarverfahren wurde Czuppon 2019 bekannt gemacht: In der ihm vorgelegten Schrift waren auch zwei Zeugen benannt. Der Angeklagte bestritt den Tathergang und stellte eine Gegenanzeige gegen die beiden Mitarbeiter der Gedenkstätte wegen Verleumdung: In seiner Rolle als Polizeibeamter bearbeitete er die Anzeige im Anschluss selbst. Ein Vorgang, der selbstverständlich nicht rechtskonform ist. Czuppon unterschrieb die Anzeige gleich zweimal: Einmal als Vernommener, einmal als Vernehmer. Den angelegten Vorgang gab Czuppon an die Kriminalpolizei weiter. Diese übergab den Fall der Staatsanwaltschaft, welche kein Strafverfahren eröffnete, sondern eine Anzeige wegen Verfolgung Unschuldiger stellte.

Drei Instanzen – ein Urteil

Mit Beginn des Verfahrens am Amtsgericht wurde Torsten Czuppons Immunität aufgehoben. Die Verteidigung erfolgte durch den rechten Szene-Anwalt Jochen Lober, der unter anderem bereits den NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben vertrat. Die Taktik der Verteidigung, das Tragen des T-Shirts abzustreiten, ging jedoch nicht auf. Das Amtsgericht verurteilte Czuppon zu 150 Tagessätze je 200€, insgesamt also 30.000€. Sowohl die Verteidigung als auch die Staatsanwaltschaft legten Berufung ein: Erstere, weil sie für einen Freispruch plädierte, letztere, weil sie eine Haftstrafe auf Bewährung forderte. In zweiter Instanz bekräftigte das Landesgericht Erfurt das ursprüngliche Urteil. Nach einer weiteren Berufung durch beide Seiten bestätigte schlussendlich das Oberlandesgericht am 17.06.2024 in Jena in dritter Instanz das Urteil. Damit ist Torsten Czuppon rechtskräftig wegen Verfolgung Unschuldiger verurteilt. Mit der Beendigung des Verfahrens vor dem OLG in Jena wird auch das Disziplinarverfahren zwischen der Polizei Thüringen als Dienstherr und Torsten Czuppon wieder eröffnet.

Ob Czuppon im Dienst verbleiben darf ist derzeitig noch unklar. Die Thüringer AfD-Fraktion bereitet unterdessen schon ihre politische Einordnung des möglichen Ausgangs des Disziplinarverfahrens vor. Im Podcast „Horch ma!“2fragte Podcast-Host Stefan Möller den Gast Ringo Mühlmann, seines Zeichens nach auch Polizist, ob er bereits über seinen Wiedereintritt in den Dienst nach der Zeit als Parlamentarier nachgedacht hätte. Möller gibt zu Protokoll, dies sei nicht seine Entscheidung, sondern möglicherweise die von durch Georg Maier (Thüringer Innenminister der SPD) angeleiteter Ideologen. Mühlmann wörtlich: „Wenn es nur nach Recht und Gesetz geht, gar kein Problem. Wenn es nach Ideologen geht, kann ich das heut noch nicht absehen.“ Die Folge wurde am 21. Juni 2024 publiziert, ein impliziter Bezug auf den Fall Czuppon scheint also naheliegend. Dass es auch die eigenen Parteikollegen mit „Recht und Gesetz“ manchmal nicht so ernst nehmen, bleibt in Mühlmanns Andeutungen auf der Strecke.

Grenzverschiebung als Taktik

Torsten Czuppons Provokationen und Angriffe gegen die Gedenkstätte und ihre Mitarbeiter reihen sich ein in eine Taktik der schrittweisen Normalisierung von Geschichtsrevisionismus und immer neuen Grenzüberschreitungen. Die KZ-Gedenkstätte Buchenwald ist ein konkreter, historischer Gedenkort, der zur Reflexion über die nationalsozialistischen Verbrechen anregen soll. Wenn an einem solchen Ort ein Polizeibeamter mit revisionistischen Thesen und bei Rechtsextremen beliebter Kleidung auftritt, verhöhnt dies in zynischer Art und Weise die Opfer und Angehörigen. Zugleich soll damit die von Björn Höcke geforderte, erinnerungspolitische 180-Grad-Wende in die Tat umgesetzt werden.  

1 MDR Thüringen: Landtags-Wahlkreis Sömmerda II: Das sind die Direktkandidaten. MDR Thüringen Wahl 2024, dort datiert 02.08.2024, URL: https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/landtagswahl/soemmerda-zwei-kandidat-ergebnis-100.html (05.08.2024).

2 Stefan Möller/Ringo Mühlmann, Rassismus gegen Europäer, BSW: Alter Wein in neuen Schläuchen?, https://www.buzzsprout.com/2197981/15288732-folge-27-rassismus-gegen-europaer-bsw-alter-wein-in-neuen-schlauchen?client_source=small_player&iframe=true&referrer=https://www.buzzsprout.com/2197981/15288732-folge-27-rassismus-gegen-europaer-bsw-alter-wein-in-neuen-schlauchen.js?container_id=buzzsprout-player-15288732&player=small, aufgerufen am 06.08.2024 


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