Historie des Hufhauses
Das „Hufhaus“ liegt in einem idyllischen Teil des Harzes, umgeben von Wäldern und weitläufiger Natur. Das ehemalige Betriebsferienheim des VEB Nordbrand bot der „Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V.“ und anderen Akteur:innen seit den 1990er Jahren regelmäßig ihre Räumlichkeiten für Veranstaltungen aller Art an.1Rechtsrockkonzerte, politische Schulungen bis hin zu heidnischen Festen mit bis zu 300 Besucher:innen waren keine Seltenheit. Das „Hufhaus“ fuhr dabei stets eine Doppelstrategie: Einerseits war es Treffpunkt einer klandestinen, sich elitär verstehenden rechtsextremen Szene, andererseits präsentierte es sich als ein ganz gewöhnliches Gasthaus das Wanderbegeisterte mit günstigen Zimmern und guter, bürgerlicher Küche in den Harz lockte. Inhaber ist seit 1991 Jakob Lotter, der in kryptischen, hauseigenen Jahresrückblicken („Hufhäuser Provokationen“) seine Sympathien für die Ansichten seiner verschiedenen rechtsextremen Gäste zumindest andeutet.2
Germanentum und NS-Rassepolitik
Die „Artgemeinschaft“, die regelmäßig im "Hufhaus" gastierte, wurde 1951 von Wilhelm Kusserow gegründet. Kusserow war bereits in der Weimarer Republik aktiv gewesen und rief 1927 die „Nordische Glaubensgemeinschaft“ ins Leben: Eine zutiefst antisemitische,
Holocaust-Leugnung im Naturschutzgebiet
Neben der „Artgemeinschaft“ waren auch diverse andere Organisationen aus dem rechtsextremen Spektrum gern gesehen Gäste im „Hufhaus“ in Illfeld. So unter anderem auch der Neonazi Meinolf Schönborn, der 2015 ein Lesertreffen für die von ihm publizierte Zeitschrift „Recht und Wahrheit“ durchführte: Ehrengast des Treffens war die Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck.5 Die mittlerweile 95-jährige leitete jahrelang zusammen mit ihrem Ehemann erst das rechtsextreme „Collegium Humanum“, später den Verein „Gedächtnisstätte e.V.“ in Guthmannshausen.
Die Leugnung des Holocaust spielt in der extremen Rechten seit jeher eine zentrale Rolle: Während sich Neofaschist:innen in anderen Ländern z.T. relativ unverhohlen auf ihre historischen Vorbilder beziehen können, ist dies im Falle des deutschen Nationalsozialismus nicht so einfach möglich. Durch den industriellen Massenmord an den europäischen Jüd:innen und anderer Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist die NS-Herrschaft vollumfänglich gesellschaftlich geächtet; eine positive Bezugnahme auf den Nationalsozialismus dementsprechend kaum möglich. Die Relativierung und Leugnung der schlimmsten Verbrechen soll das historischen Vorbild in Teilen oder in Gänze rehabilitieren und als denkbare Alternative zur politischen und gesellschaftlichen Gegenwart darstellen.
Gesellschaftliche und Staatliche Gegenwehr
In der Vergangenheit kam es bei Veranstaltungen der rechtsextremen Szene im „Hufhaus“ immer wieder zu polizeilichen Einsätzen. Die rechtlichen Möglichkeiten gegen Veranstalter:innen und Eigentümer sind begrenzt, da die Aktivitäten auf privatem Gelände stattfinden. Auch zivilgesellschaftliche Interventionen gab es in der provinziellen Region über die Jahre immer wieder, jedoch ohne nachhaltigen Erfolg. Mit dem Verbot der „Artgemeinschaft“ durch Innenministerin Nancy Faeser im September 2023 wurde der Szene fürs Erste ein herber Rückschlag beschert: Das Einziehen der Finanzmittel hindern weitere Aktivitäten vorerst, eine Umstrukturierung unter einem neuen Tarnnamen würde ebenso unter das Verbot fallen.6 Wie groß der Einfluss dieser relativ überschaubaren, sich elitär gebenden Vereinigung war, lässt sich im Nachhinein schwer bemessen. In jedem Falle hatte die „Artgemeinschaft“ eine homogenisierende, ideologiefestigende Wirkung für die Mitglieder nach Innen und sorgte für ideologischen Nachwuchs, da insbesondere die eugenisch-rassistische „Sicherung der nordischen Rasse“ im Zentrum der Bewegung stand. Nicht unterschätzt werden sollte auch die Vernetzung des verbotenen Vereins: Exemplarisch lässt sich dies am vorletzten Vorsitzenden Jens Bauer aus Sachsen-Anhalt zeigen. Dieser tat sich neben seiner Mitgliedschaft in der Artgemeinschaft auch als NPD- bzw. Die Heimat-Kader sowie durch die Teilnahme am „Trauermarsch“ in Dresden oder bei Corona-Protestdemos hervor.7
Um das „Hufhaus“ ist es seit der Razzia, zumindest politisch, still geworden. Dem äußeren Anschein nach wird der reguläre Hotel- und Gaststättenbetrieb weiterhin aufrechterhalten: Mit dem Beherbergen von Holocaust-Leugner:innen oder fanatischen Rassist:innen dürfte sich der Eigentümer fürs Erste wohl zurückhalten.
[1] Mobit: Nach den Rechten sehen. mobit.org, dort datiert 2017, S. 27, URL: https://mobit.org/Material/MOBIT_Nach%20den%20rechten%20H%C3%A4usern%20sehen_2018.pdf (14.10.2024).
[2] So versuchte Jakob Lotter sich in der zwölften Ausgabe an einer geschichtsrevisionistischen Gleichstellung der Sowjetunion mit dem Nationalsozialistischen Deutschland. Nur anhand der „Hufhäuser Provokationen“ ist es jedoch nicht möglich, ihm ein rechtsextremes Weltbild zu attestieren. Aufgrund der Wahl seiner Gäste hingegen muss man mindestens von Sympathien für die Akteur:innen und ihre Ideologie ausgehen. Vgl. Jakob Lotter: Hufhäuser Provokationen Ausgabe 12. Hotel Hufhaus, dort datiert 07.06.2005, URL: https://www.hotel-hufhaus.de/app/download/5799177368/Teil+12.pdf (23.10.2024).
[3] Kusserow und seine Organisation waren nicht "offiziell" in den NS eingebunden. Dies erklärt sich daraus, dass der Nationalsozialismus, vereinfacht gesagt, ein Bündnis mit dem Christentum einging, sodass die „Nordische Glaubensgemeinschaft“ nicht in den Rang einer Art Staatsreligion gehoben wurde. Mit Hans F.K. Günther hatte die „Nordische Glaubensgemeinschaft“ jedoch einen hochrangigen NS-„Wissenschaftler“ in ihren Reihen. Günther lehrte an der Universität in Jena und war als „Rasse-Günther“ bekannt.
[4] Ulrich Nanko: Religiöse Gruppenbildungen vormaliger ,Deutschgläubiger’ nach 1945. Antisemitismus, Paganismus, Völkische Religion, München 2004, hier S. 124.
[5] Braunes Meeting im Südharz. Endstation Rechts, dort datiert 14.08.2015, URL: https://www.endstation-rechts.de/news/braunes-meeting-im-suedharz (24.10.2024).
[6] Ende des völkischen Treibens. In: TAZ (2023), H. 13218.
[7] Ebd.