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Institut für Staatspolitik

Das „Institut für Staatspolitik“ (IfS) in Schnellroda war eine der zentralen Denkfabriken der sogenannten Neuen Rechten in Deutschland. Das IfS hat sich als strategisches und ideologisches Zentrum etabliert, das beste Kontakte zur AfD pflegt und die politische Landschaft gezielt beeinflussen will. Trotz der formalen Auflösung sind die zentralen Akteur:innen weiter aktiv. Zu den Hauptbetätigungsfeldern gehören Angriffe auf die Erinnerungskultur und Umdeutungen der deutschen Geschichte.

Das sogenannte "Rittergut" im sachsen-anhaltinischen Schnellroda ist Wohnsitz von Götz Kubitschek und gilt als zentraler Vernetzungspunkt der "Neuen Rechten".
Das sogenannte "Rittergut" im sachsen-anhaltinischen Schnellroda ist Wohnsitz von Götz Kubitschek und gilt als zentraler Vernetzungspunkt der "Neuen Rechten". ©Screenshot, Google Maps, aufgenommen am 07.01.2025

Hintergrund

Gegründet wurde das private Institut im Jahr 2000 im hessischen Bad Vilbel durch Götz Kubitschek, Karlheinz Weißmann und Dieter Stein. Alle waren damals für die „Junge Freiheit“ tätig. Kubitschek übernahm die Geschäftsführung des neu gegründeten IfS. Im Jahr 2003 zog die private Einrichtung auf das sachsen-anhaltinische „Rittergut“ in Schnellroda. Seit dem Umzug erscheint auch die hauseigene Zeitschrift „Sezession“ regelmäßig. Zusätzlich betätigte sich Kubitschek als redaktioneller Leiter des hauseigenen Antaois-Verlags.1 Nach einem Richtungsstreit zwischen Kubitschek und Weißmann im Jahr 2014 übernahm Erik Lehnert die „wissenschaftliche Leitung“. Das Institut gibt sich nach außen hin intellektuell und seriös. Der pseudo-akademische Anstrich dient der Selbstverharmlosung und erleichtert den Zugang zu konservativen Milieus. Das IfS versteht sich vor allem als Kaderschmiede für völkisch-nationalistische Nachwuchskräfte. Dementsprechend gehören Mitglieder der Identitären Bewegung, Burschenschafter oder junge Mitglieder der AfD zu den Stammgästen der sogenannten "Akademien". Einer der Schwerpunkte der Vorträge und Publikationen sind Versuche, die deutsche Geschichte umzuschreiben. 

Geschichtsschreibung von rechts

Götz Kubitschek selbst machte die geschichtspolitische Ausrichtung des IfS in einem Blogbeitrag vom 27. Januar 2020 auf der Website der hauseigenen Zeitschrift Sezession deutlich. Anlass war der 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. Der Holocaust, so Kubitschek, sei „zwar nicht vom deutschen Volk, aber von Verbrechern im Namen des deutschen Volkes angerichtet wurde[n].“ Mit dieser Formulierung entlastet er weite Teile der Täter:innen, die direkt oder indirekt am Holocaust beteiligt waren, und schiebt die Verantwortung auf eine kleine Gruppe von Verantwortlichen ab – eine Argumentation, die schon in den Nürnberger Prozessen von Angeklagten als Verteidigungsstrategie genutzt wurde. Diese Darstellung steht im Widerspruch zur etablierten, historischen Forschung, die zeigt, dass die Verfolgung der Jüd:innen von weiten Teilen der deutschen Gesellschaft mitgetragen oder zumindest toleriert wurde. Kubitschek bleibt jedoch nicht bei der Verharmlosung der deutschen Mitverantwortung stehen, sondern greift auch die Erinnerungskultur als solche an. Er bezeichnet die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit als „Vergangenheitsbewirtschaftung“ und als „moralische Instrumentalisierung“, die „ein Ende finden“ müsse. Kubitschek deutet die Erinnerungskultur als politisch-moralische Waffe, die auch gegen die von ihm unterstützte AfD eingesetzt werde. Damit versucht er Kritik an den antisemitischen und rassistischen Ausfällen der Partei zu delegitimieren. Dem Erinnern an die Befreiung des KZ Auschwitz stellt er das Angedenken an die „eigene Opfer“ gegenüber: Man könne in einem dunklen Raum eine Kerze „für Dresden  oder Nordhausen aufstellen, oder für den Urgroßvater aus Schlesien, der 1946 verhungerte.“2

Die deutsche Geschichte vom Makel des Holocaust zu befreien, ist seit jeher eines der Kernanliegen des deutschen Geschichtsrevisionismus. Das Ziel ist das Umschreiben in eine einzige Erfolgsgeschichte, die einen unbeschwerten, positiven Bezug auf die eigene Nation zulässt. Dies erklärt der „wissenschaftliche Leiter“ des IfS, Erik Lehnert, in seinem Vorwort zum „Staatspolitischen Handbuch Band 5 (Deutsche Daten)“ auch ganz offen.3

Götz Kubitschek, hier bei einer Rede auf einer PEGIDA-Demonstration im Jahr 2015, gilt als Kopf hinter dem IfS.
Götz Kubitschek, hier bei einer Rede auf einer PEGIDA-Demonstration im Jahr 2015, gilt als Kopf hinter dem IfS. ©Wikimedia Commons, aufgerufen am 07.01.2025

Verkannte Helden?

Neben dem Angreifen des „Schuldkults“ steht auch der Versuch, ideologische Vorbilder zu retten, im Vordergrund. Besonders Weißman und Kubitschek hatten sich selbst über Jahre an ihrem Vorbild, Armin Mohler, orientiert. Dieser versuchte sich im großen Stil an einer Ehrenrettung der von ihm als „Konservative Revolution“ betitelten Autorenschaft. Zu dieser Denkschule, die dem NS ideologisch den Weg bereitete, werden u.a. Arthur Moeller van den Bruck oder Oswald Spengler gezählt. Ersterer schrieb „Das Dritte Reich“, letzterer „Der Untergang des Abendlandes“. In jüngerer Zeit gingen Autor:innen aus dem IfS-Umfeld noch weiter und versuchten, Akteure des NS zu rehabilitieren, ohne den „Umweg“ über die „Konservative Revolution“ zu gehen. In den „Deutschen Daten“ widmet Benedikt Kaiser ein kurzes Kapitel der sogenannte „Nacht der langen Messer“, d.h. der Ermordung des „linken“ Flügels der NSDAP um Ernst Röhm und Gregor Strasser 1934.

Benedikt Kaiser deutet den ermordeten Gregor Strasser als den „letzten intellektuellen Kopf der Nationalsozialisten“, der auf „rassenmaterialistische Maßlosigkeiten“ verzichtet hätte.4 Gregor Strasser mag in der Sozial- oder Außenpolitik andere Positionen als viele seiner Parteigenossen vertreten haben: Er war aber ebenso völkisch und antisemitisch eingestellt. In einer Reichstagsrede aus dem Jahr 1925 hetzte er gegen „seelenlosen, jüdischen Materialismus“.5 Im sogenannten „Strasser-Programm“ von 1925 wurde u.a. die Ausweisung aller Juden gefordert, die nach 1914 ins Land gekommen waren.6Der Versuch Kaisers zielt auf eine Binnendifferenzierung des Nationalsozialismus ab. Kaiser konstruiert damit das Bild einer lediglich schlechten Ausführung einer eigentlich guten Idee - dem nationalen Sozialismus.7 Gleichzeitig bietet diese Darstellung die Möglichkeit zur Identifikation mit angeblichen, verhinderten Helden des NS wie Strasser oder Röhm.

Gregor Strasser galt zusammen mit seinem Bruder Otto sowie Ernst Röhm als Vertreter des "linken" bzw. revolutioären Flügels der NSDAP. Gregor Strasser war maßgeblich für die Verbreitung der nationalsozialistische Ideologie und den Aufbau der NSDAP in Nord- und Nordwestdeutschland verantwortlich.
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Gregor Strasser galt zusammen mit seinem Bruder Otto sowie Ernst Röhm als Vertreter des "linken" bzw. revolutionären Flügels der NSDAP. Gregor Strasser war maßgeblich für die Verbreitung der nationalsozialistische Ideologie und den Aufbau der NSDAP in Nord- und Nordwestdeutschland verantwortlich. ©Wikimedia Commons, aufgerufen am 07.01.2025
Strasser war ein frühes Mitglied der NSDAP und besonders in den 1920er Jahren eine wichtige Personalie. Auch an der Neugründung der Partei 1925 war er beteiligt (hier rechts neben Adolf Hitler).
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Strasser war ein frühes Mitglied der NSDAP und besonders in den 1920er Jahren eine wichtige Personalie. Nach dem Verbot der Partei 1922 war Strasser auch an der Wiedergründung 1925 beteiligt (hier rechts neben Adolf Hitler). ©Wikimedia Commons, aufgerufen am 07.01.2025

Umdeutung der Kriegsschuld

Neben der Rehabilitation vermeintlicher Helden und ihrer Ideologie versuchen sich Autor:innen aus dem Umfeld des IfS regelmäßig an einer geschichtsrevisionistischen Umschreibung des Zweiten Weltkriegs. So weist der in der Szene bekannten Stefan Scheil in „Revisionismus und Demokratie“ die Darstellung des Historikers Jochen Böhler des deutschen Überfalls auf Polen als „Auftakt zum Vernichtungskrieg“ als unwissenschaftliches „Phantasieprodukt“ zurück. Stattdessen interpretiert er den 1. September 1939 als „Krieg zweier monatelang mobilisierter Heere, die nach umfangreicher diplomatischer Vorbereitung beider Seiten aufeinandergetroffen sind.“8 Dabei verschweigt Scheil die aggressive, antislawische Propaganda sowie den offenen Revanchismus des NS-Regimes gegenüber Polen. Der fingierte Angriff auf den Sender Gleiwitz wird in seiner Darstellung ebenso wenig gewürdigt wie die systematische Planung des deutschen Überfalls. Stattdessen inszeniert Scheil den Krieg als konsensuellen Konflikt zweier Mächte. Die Zurückweisung Scheils vom Angriff auf Polen als „Auftakt zum Vernichtungskrieg“ ignoriert, dass sich mit der Entfesselung der Gewalt auch für den NS-Terror gegen die Zivilbevölkerung ganz neue Möglichkeiten ergaben. So wurden 1939/1940 zehntausende Pol:innen und polnische Jüd:innen des „Warthe-Gaus“ und aus dem Gebiet Danzig-Westpreußen in der sogenannten „Intelligenzaktion“ ermordet.9 In dieser Aktion erprobte die deutsche Besatzungsmacht Logistik, Methodik und Mordtechniken, die später auch im Holocaust zum Einsatz kamen.  

NS-Relativierung und Antisemitismus

Doch Scheil ist nicht nur bemüht, Deutschlands Schuld am Zweiten Weltkrieg zu relativieren, sondern auch eine Neubewertung des Antisemitismus im „Dritten Reich“ vorzunehmen. So deutet er die Einführung der sogenannten „Nürnberger Rassengesetze“ als „eine Art Verballhornung biblischer Überlieferungen durch den inneren Kreis der Nationalsozialisten.“ Laut Scheil glaubten die Nationalsozialist:innen, „daß im Judentum seit ewiger Zeit eine Rassenpflege betrieben werde“ – Die NSDAP hätte also lediglich versucht, dies mit den Nürnberger Rassegesetzen zu kopieren.10 Die antisemitischen „Nürnberger Gesetze“ als eine Kopie einer angeblichen „jüdischen Rassepflege“ darzustellen, ist eine perfide Täter-Opfer-Umkehr. Scheil deutet die „Nürnberger Gesetze“ als Versuch, „mit der christlichen Tradition zu brechen und einen neuen, religiös-nationalen Mythos zu schaffen, der den Glauben mit der deutschen Identität vereinen sollte“.11 Diese Argumentation verschleiert die wahren Intentionen der antisemitischen Gesetze und versucht durch eine Parallelisierung von Tätern und Opfern, die Grenzen zwischen Profiteuren und Leidtragenden der NS-Politik zu verwischen. Die Nürnberger Gesetze dienten nicht der Konstruktion eines deutschen, „religiös-nationalen Mythos“, sondern waren eine Fortführung der antisemitischen Gesetze (z.B. Schriftleitergesetz) seit 1933 und dienten der Rückgängigmachung der Emanzipation der Jüd:innen.12

Einordnung 

Das „Rittergut“ in Schnellroda ist eine der zentralen Organisationen der Neuen Rechten in Deutschland und ein strategischer Dreh- und Angelpunkt für geschichtsrevisionistische Aktivitäten. Mit intellektuellem Anspruch und gezielter Selbstverharmlosung versuchen die Akteur:innen, die deutsche Vergangenheit umzuschreiben und NS -Ideologien zu enttabuisieren. Die Macher:innen in Schnellroda pflegen enge Kontakte zur AfD und dienen der Partei als Stichwortgeber. So gilt Götz Kubitschek als heimlicher Autor der völkischen „Erfurter Resolution“. Auch persönliche Kontakte zu Björn Höcke oder Maximilian Krah sind längst kein Geheimnis mehr. Letzterer durfte 2023 auch als Redner auf der hauseigenen Sommerakademie des IfS zum Thema „Vergangenheitspolitik und politische Gegenwart“ sprechen. Kubitschek bezeichnete Krah in seiner Abschlussrede der Veranstaltung als Vorbild für die zeitgemäße Verbreitung geschichtsrevisionistischer Narrative auf Social-Media-Plattformen wie tiktok.13 Durch die enge Verbindung zu Politiker:innen wie z.B. Maximilian Krah, der über eine große Reichweite verfügt, besteht die akute Gefahr, dass geschichtsrevisionistische Narrative weit in die Mitte der Gesellschaft getragen werden und insbesondere bei jungen Menschen verfangen.

Der "Verein für Staatspolitik", Träger des IfS, wurde offiziell am 17. April 2024 aufgelöst, wahrscheinlich um einem antizipieren Verbot durch das Bundesinnenministerium zuvorzukommen. Die Nachfolgeorganisationen, „Menschenpark uG“ bzw. „Metapolitikverlag uG“, wurden am 28. bzw. 29. Februar 2024 gegründet und in Schnellroda registriert, sodass das IfS de facto unter anderem Namen weiter operiert.14

[1] Samuel Salzborn: Die „Neue Rechte“ im bundesdeutschen Rechtsextremismus. In: Julia Haas/Imke Schmincke/Samuel Salzborn (Hrsg.): Die Neue Rechte. Hintergründe und Hauptelemente neurechten Denkens, Darmstadt 2020, hier S. 26.

[2] Alle Zitate nach: Götz Kubitschek: Nachdenken über Auschwitz (öffentlich?). sezession.de, dort datiert 27.01.2024, URL: https://sezession.de/62032/nachdenken-ueber-auschwitz-oeffentlich?hilite=holocaust (07.01.2024).

[3] Erik Lehnert: Vorwort. Deutsche Daten, 2. Aufl., Schnellroda 2020 (Staatspolitisches Handbuch 5), hier S. 10.

[4] Benedikt Kaiser: 1934. Deutsche Daten, 2. Aufl., Schnellroda 2020 (Staatspolitisches Handbuch 5), hier S. 157–158.

[5] Hier zitiert nach: Thomas Childers: The Third Reich: A History of Nazi Germany. New York 2017, S. 84.

[6] Reinhard Kühnl: Dokumentation: Zur Programmatik der nationalsozialistischen Linken: Das Strasser-Programm von 1925/1926. In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 14 (1966), H. 3, S. 317–333, hier S. 351.

[7] Michael Kohlstruck: Gerettete Idole? In: Wolfgang Benz/Peter Reif-Spirek (Hrsg.): Geschichtsmythen : Legenden über den Nationalsozialismus, 2. Aufl., Berlin 2005, hier S. 101.

[8] Stefan Scheil: Revisionismus und Demokratie. Schnellroda, S. 21.

[9] Jan Grabowski: Die polnische Gesellschaft unter deutscher Besatzung. Unterdrückung, Widerstand und selektive Solidarität. In: Dieter Bingen/Simon Lengeman (Hrsg.): Deutsche Besatzungspolitik in Polen 1939 – 1945. Eine Leerstelle deutscher Erinnerung?, Bonn 2019 (Schriftenreihe 10398), hier S. 36.

[10] Stefan Scheil: 1935. Deutsche Daten, 2. Aufl., Schnellroda 2020 (Staatspolitisches Handbuch 5), hier S. 160.

[11] Scheil: 1935, S. 161.

[12] Wolfgang Benz: Nürnberger Gesetze. Ereignisse, Dekrete, Kontroversen, Berlin, Boston 2011 (Handbuch des Antisemitismus: Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart 4), hier S. 257.

[13] Götz Kubitschek: In Deutschland tobt ein geistiger Bürgerkrieg. Youtube, dort datiert 26.09.2023, URL: https://www.youtube.com/watch?v=vpfNwxjQlIk (06.01.2024).

[14] Bundesamt für Verfassungsschutz: Das Netzwerk der Neuen Rechten. verfassungsschutz.de, dort datiert 06.2024, URL: https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/hintergruende/DE/rechtsextremismus/das-netzwerk-der-neuen-rechten.html#doc1755240bodyText2 (06.01.2024).

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