Uwe Lammla und seine ideologischen Wurzeln in der Romantik
Der 1961 in Neustadt an der Orla geborene Uwe Lammla war selbst Schriftsteller und Dichter und verstand sich als Bewahrer und Erneuerer der Deutschen Romantik. Doch in seiner literarischen Tätigkeit und den Auswahlkriterien seines Verlags verbarg sich mehr als bloße Begeisterung für die Epoche des späten 18. und frühen 19. Jahrhundert. Lammla knüpfte an eine Tradition an, die sich auch gegen die Moderne und die Aufklärung richtete. In dieser Ablehnung von Rationalität und Universalismus fand Lammla eine ideologische Brücke zu Denkern der neuen Rechten, welche die Romantik als spirituelle und kulturelle Gegenbewegung zur Globalisierung, zur Moderne und zur Demokratie stilisierten. Die Sehnsucht nach einer überzeitlichen Identität und einer quasi-natürlichen, organischen Gemeinschaft bildeten einen Nährboden für antidemokratische, völkische Ideologien. Diese Gedankenwelt ist nicht neu: Bereits im späten 19. Jahrhundert diente die Romantik als ideologische Projektionsfläche für konservative und nationalistische Bewegungen.
Von der Romantik zur „Konservativen Revolution“ und der „Neuen Rechten“
Während Lammla harmlose Bücher über Naturheilkunde oder das Leben der Bienen vertrieb, nahm er auch Klassiker der „Konservativen Revolution“ ins Repertoire auf. Der Begriff der „konservativen Revolution“ wurde durch den Schweizer Armin Mohler geprägt. Mohler gilt als "ideologischer Ziehvater" der „neuen Rechten“ in Deutschland um Karlheinz Weissmann und Götz Kubitschek, die im Jahr 2000 gemeinsam das Institut für Staatspolitik in Schnellroda gründeten. Armin Mohler selbst versuchte in seiner Dissertation Autoren wie Oswald Sprengler („Der Untergang des Abendlandes“), Ernst Jünger oder Arthur Moeller van den Bruck („Das Dritte Reich“) als eine eigene, national-konservative Schule der Zwischenkriegszeit darzustellen. Die Autoren der „Konservativen Revolution“ inszenierte er als vernünftiges, weniger radikales Gegenstück zum aufkommenden Nationalsozialismus. Die ideologischen wie in Teilen auch persönlichen Überschneidungen zwischen Vertretern der „Konservativen Revolution“ und dem Nationalsozialismus gaben diese konstruierte Trennung allerdings gar nicht her; Mohlers Versuch der Ehrenrettung von
Offener Antisemitismus
Besonders problematisch ist die Verbreitung der Schriften von Gottfried Feder, einem führenden Ideologen des frühen Nationalsozialismus. Feder gilt als einer der zentralen wirtschaftspolitischen Denker der NSDAP, dessen antikapitalistische und antisemitische Thesen die wirtschaftliche Programmatik des Nationalsozialismus prägten. Seine Schrift "Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft" propagiert eine fundamental antisemitische Ideologie, die Juden als vermeintliche Drahtzieher des internationalen Finanzkapitals dämonisiert. Dass der Arnshaugk Verlag solche Schriften im 21. Jahrhundert wieder auflegt, ist keine historische Auseinandersetzung mit kontroversen Texten – es ist eine gezielte Rehabilitierung antisemitischen Gedankenguts.
Deutsche Passion: Geschichtsrevisionismus mit Neofolk-Vertonung
Neben der Verbreitung antisemitischer Literatur fiel Lammla auch mit eigenen, revisionistischen Interpretationen der deutschen Geschichte auf. In seinem Gedicht „Deutsche Passion“ konstruiert er ein Opfer-Narrativ für Deutschland, in dem er Großbritannien die Hauptschuld am Ausbruch des Ersten Weltkriegs zuschreibt: „Die deutschen Erfolge, die Flotte, das Heer, Ertrugen die Angeln nur knirschend und schwer.“ Diese Darstellung ignoriert die komplexen Ursachen des Ersten Weltkriegs und deutet die historische Realität auf absurde Weise um.2 Den Versailler Friedensvertrag bezeichnet Lammla „schlimmer als jeglicher Krieg, Im Osten zerstückelt, im Westen besetzt“ und knüpft damit offen an revanchistische Agitation der Zwischenkriegszeit an.
Die Vernichtungspolitik des Nationalsozialismus deutet er als Versuch „den Haß aus der Welt Mit Waffen zu kehrn, mit Gefolgschaft allein, Als könne der Führer der Gottessohn sein“ Zwar bewertete Lammla die propagandistische Inszenierung Hitlers als Abgesandten mit göttlichem Auftrag als blasphemisch, doch ist die Vorstellung, dass die Deutschen den „Hass aus der Welt kehren wollten“ eine Umkehr der Tatsachen: Die Nationalsozialist:innen haben mit ihrer Propaganda und Vernichtungspolitik den Hass in die Welt hineingetragen. Wenig überraschend ist es dann auch, dass Lammler sein Gedicht 2010 von den Neofolkbands „Spreu und Weizen“ und „Von Thronstahl“ hat vertonen lassen – erster kokettierte mit faschistischer Ästhetik, letztere bewegte sich unverhohlen in rechtsextremen Kreisen.
Rechte Publizistik am Scheideweg
Der Arnshaugk Verlag unter der Leitung von Uwe Lammla nutzte die deutsche Romantik als ideologisches Vehikel, um völkisches und antiaufklärerisches Denken unter dem Mantel der Kunst zu propagieren. Die Verbreitung antisemitischer Werke wie denen von Gottfried Feder zeigt, dass der Verlag weit über eine bloße Auseinandersetzung mit "verdrängten" historischen Schriften hinausging. Der Arnshaugk Verlag spielte eine Rolle in der Verbreitung von Antisemitismus, völkischem Denken, blinder Idealisierung der Natur und einer mythologisch aufgeladenen Verdrehung der Geschichte. Mit dem Tod Uwe Lammlas ist die Zukunft des Verlags, des rechten „Arbeitskreises für Deutsche Dichtung“, dem er vorsaß, sowie die zum Gelände in Neustadt an der Orla dazugehörige „alternative Kolonie“ allerdings ungewiss.
[1] Volker Weiß: Die „Konservative Revolution“ - Geistiger Erinnerungsort der „Neuen Rechten“. In: Martin Langebach/Michael Sturm (Hrsg.): Erinnerungsorte der extremen Rechten, Wiesbaden 2015, hier S. 103.
[2] Hier wären exemplarisch neben dem Deutsch-Englischen Flottenwettrüsten u.a. die Balkan-Krise, der überbordende Nationalismus, die Konkurrenz um Kolonien, das Zerfallen des osmanischen Reichs und die aggressive Außenpolitik des deutschen Kaiserreichs (Panthersprung nach Agadir, Niederschlagung des chinesischen Boxeraufstands etc.) bis hin zur „Blankovollmacht“ für Österreich-Ungarn zu nennen.